Heavy Pop reviews 'A Pyrrhic Existence' (in German)
Esoteric hätten nach acht langen Jahren Auszeit wohl auch routiniert ihren Stiefel herunterspielen können und jeder Genrefan hätte ihnen dankbar aus der Hand gefressen. Stattdessen ist A Pyrrhic Existence jedoch ihr bisher vielseitigstes Werk geworden, in dem Funeral Doom nicht mehr das alleinige Maß aller Dinge ist, sondern die makellose Basis bietet, um immer wieder über das eigene Vermächtnis zu wachsen.
Gleich das eröffnende Descent ist dabei mit seinen 27 Minuten Spielzeit ein überlebensgroßer Behemoth in einem Meer aus Monolithen geworden; eine Warnung und Prüfstein, aber auch Versprechen für A Pyrrhic Existence als Gesamtwerk: Aufwand und Entlohnung kommen hier stets in voluminöser Masse, holen unmittelbar an Bord, sofern man die nötige Zeit und Geduld aufbringt.
Was bedrohlich und finster als kasteiender Funeral Doom exakt entlang der Erwartungshaltung so massiv und schwerfällig beginnt, verdickt sich erst dann wirklich ehrfurchtsvoll zähflüssig, sobald die urgewaltigen Vocals von Greg Chandler einsetzen, praktisch alles zum Stillstand bringen. Gepeinigt bietet sich der misanthropische Nihilismus nach knapp zehn Minuten einem atmosphärischen Ambientpart an, aus dem sich ein gestiegenes Interesse an erhebenden Texturen aufbaut. Die Spannungen flimmert intensiver ausstattet und beschwört einen Klimax, der plötzlich doch in einen versöhnlicheren Score-Part kippt, in Trance durchatmet, mit losen Gitarrengeplänkel sinniert und eine geradezu hoffnungsvolle Midtempo-Bekömmlichkeit zeigt. Descent schraubt sich dann nahezu subversiv zu einer Hymnenhaftigkeit auf, als wären Guns n‘ Roses in Zeitlupe kasteiend Melodien auf der Spur, die aus ihren Gräbern werkeln, aber in den Himmel reichen möchten. Die letzten Meter von Descent sind dennoch eine stockdunkle Installation voller Suspence und Klaustrophobie, die in theatralischer Orgelschwere verschwimmende Versatzstücke von Lychgate zu einem eigenwilligen Kopfkino-Soundtrack verwebt.
Bereits dieser erschöpfende Mikrokosmos von einem Esoteric-Universum lässt dann Rückschlüsse auf A Pyrrhic Existence als Ganzes zu. Neben dem prägnant wie selten als Epizentrum fungierenden Chandler ist Gitarrist Gordon Bicknell nach seinem mysteriösen Mehr-oder-Minder-Ausstieg und der überschaubaren Beteiligung am Vorgängeralbum Paragon of Dissonance (2011) wieder fester Bestandteil der Band. Er fordert die Einheit auch zu einem kreativen Staffellauf heraus, der ein progressives Wachstum ermöglicht, das nicht nur nahezu alle bisherigen Phasen der Bandgeschichte destilliert, sondern die Perspektiven erweitert und Grenzen neu verlegt.
A Pyrrhic Existence kann nämlich tatsächlich mehr, als nahezu alle bisherigen Esoteric-Alben. So vielseitig wie hier haben alleine die Instrumente rund um schwindelerregend subtil-epische Gitarrenparts noch nie gearbeitet; die Vocals klingen unmenschlich wie selten; die Drums agieren zu jedem Zeitpunkt perfekt songdienlich, aber insgeheim triumphal wirbelnd und bestialisch entschleunigend aus dem Unterholz; dazu setzt die Produktion alleine über die Hochwertigkeit der Synthies neue hauseigene Maßstäbe, wenn A Pyrrhic Existence immer wieder in postapokalyptischen Keyboard-Meeren badet, die wie Erinnerungen an Blade Runner klingen, während sich die Entladungen der Kompositionen auch in erstaunlich direkten und mitreißenden Klimaxen außerhalb der Komfortzone und angestammten Hoheitsgebiet bewegen.
Dass einige wenige Passagen für sich genommen und isoliert betrachtetvielleicht nur überdurchschnittlicher Genre-Standard sein mögen, spielt dann auch keine gravierende Rolle, weil sie in den Kontext gebettet derart fantastisch funktionieren. Wo man die Platte deswegen höchstens objektiv doch ein wenig kürzen hätte können, will man dies subjektiv eigentlich niemals – die Vinylversion darf da insofern ein bisschen als Mahnmal herhalten. Denn obwohl A Pyrrhic Existence ständig herausragende – nicht aber wirklich restlos ikonische – Einzelszenen evoziert, sind die 98 Minuten des achten Esoteric-Albums unbedingt als ganzheitliche Erfahrung zu erleben.
Auf der meditativ ihre Gravitation ausbreitetenden, mit Leib und Seele fressenden Platte gibt es schließlich so unheimlich viel zu entdecken, so viele dynamische Wendungen zu bestaunen und den Evolutionsprozess eines gleichermaßen verinnerlichten wie gewandelten Songwritings zu verfolgen.
Nachdem Descent eben über seine elaborierten Spannungsbögen gefühlt mehr als nur einen Song schluckt, beginnt Rotting in Dereliction im bitterbösen Slo-Mo-Mahlstrom mit latentem Hang zur Dissonanz, gerinnt zähflüssig und nimmt an Fahrt auf, findet über eine wundervoll schwelgende Trostlosigkeit in eine unfassbar knackig tackernden Metal-Abfahrt – die plötzlich sogar wie von Sinnen in trven Schattierungen des Death und Black tackert und soliert: So dermaßen von der Tarantel gestochen hat man die Band wohl noch nicht gehört, auch wenn der manische Ausbruch sich gleich wieder zurückzieht, das Wah-Wah-Pedal heulen lässt und in tektonischen Schüben brütet, wieder primär die Perfektion des angestammten Signature Sound mit Erhabenheit und Grandezza anreichert.
Wie grandios die Arbeit von Chandler und Bicknell an den Saiten diesmal gediehen ist, wird jedoch spätestens deutlich, wenn Rotting in Dereliction in qualvoller Schönheit siechend triumphal ausblutet, die Gitarren mit aller Geduld der Welt zeitlos erhabene Attribute in den Äther schicken und über das cinematographischen Outro im düsteren Synthnebel den nahtlosen Übergang zum Instrumental Antim Yatra finden, sich durch assoziative Ambient-Klanggebilde schleppen, wo das Licht am Ende des dystopischen Tunnels in Gestalt einer funkelnden Pianolinie auftritt.
Danach hat A Pyrrhic Existence seinen Radius zwar weitestgehend vermessen, geht jedoch in den Kontrasten und Schattierungen sogar noch weiter ins Detail, fächert seine Facetten, Tempi und Härtegrade mit einer bisweilen erschöpfenden Konsequenz auf und badet ergiebig in seinen mitunter traumhaften Melodien.
Consuming Lies lässt seine Gitarren im Delay atmosphärisch durch den Raum klingen, erbaut in den Herrschaftsgebieten von Isis und dem Post Metal eine Goth-Kathedrale. Die doomigen Riffs, die in dieser Umgebung entstehen, sind beinahe kompakte 2000er Stakkato-Metal-Attacken im Apokalypse-Modus mit Gift-keifenden Schreien, die Drums untermalen eine energische Konzentration, die bald darauf mit einem Darkjazz-affinen Part atmen, der mit seinen bedrohlichen Keyboardspuren langsam wieder zurück in den Morast kriecht und am geschwindigkeitsfreien Death seine Isolation mit aller Schwere der Welt aufwiegt. Wie homogen und natürlich die Mutation der Nummern dabei voranschreitet, ist im Grunde formvollendet.
Culmination badet in einer melodischen Abgründigkeit, zieht die Zügel enger und shreddert stoisch vor schwindelfrei solierenden Landschaften, taucht sogar in geradezu psychedelische Farben, bis die Band alle Fäden zusammennimmt und über eine tackernde Planierraupe kurzzeitig gar wie eine Doom-Version von Meshuggah und Mudvayne austickt. Das Momentum der Eskalationen kanalisiert hier besonder rasant detonierend, lässt die Spannungen nicht nur flächig fließen. In dieser Ausrichtung ist das zu Mournful Congregation strahlende Sick and Tired eine geradezu Pink Floyd’eske Sehnsucht mit Heavy Rock-Anleihen und fauchenden Gitarren, suhlt sich dicht in seinem finsteren Elend, stappelt die eines Finales würdigen Gesten noch und nöcher, rotiert dort wie wild im Zirkel und schleift dann wieder elegisch: Überwältigend!
Die vielleicht größte Leistung eines großen Genrewerkes, nein – Opus!, ist jedoch, dass A Pyrrhic Existence ein fordernder Kraftakt ist, aber keine auslaugende Tortur. Jede Sekunde, die man der Platte folgt, zahlt die Opferbereitschaft mit einer seltenen Hingabe zurück. Alle Elemente scheinen perfekt temperiert in der akribischen Architektur der sechs Mammutnummern aufzugehen, und doch werfen Esoteric stets die emotionale Leidenschaft vor jedem Kalkül in die Waagschaale, wecken nach fast drei Dekaden im Business eine kaum für möglich gehaltene Euphorie, die hier eineinhalb Stunden wie im Rausch vergehen lassen und – sofern dies in diesen Gefilden überhaupt ein zulässiger Begriff ist – sogar Spaß machen. A Pyrrhic Existence klingt so abgeklärt und erfahren, wie es ambitoniert und hungrig nachwirkt. Sich diesem esoterischen Kosmos hinzugeben scheint weniger Aufwand zu sein, als es selbst die bisher besten Alben der Band dann doch immer waren.
Man kann deswegen darüber diskutieren, ob Esoteric sich diesmal selbst übertroffen haben – sich aber darüber einig sein zu können, dass dieses Quasi-Comeback den Spagat schafft, die bisherige Diskografie der Briten geradezu ultimativ zusammenzufassen und eine potentielle Zukunft der Institution trotzdem spannender in Position gebracht zu haben, als das nach unbedingt definierenden Überwerken wie Metamorphogenesis und The Maniacal Vale überhaupt noch möglich schien. Dass man die Zeit bis dahin weniger darbend zählen wird als die vergangenen acht Jahre, liegt daran, dass Esoteric ein Meisterwerk für die Annalen des Doom geschrieben haben. Niemals weniger, eventuell aber gar mehr.
9/10
English Translation via Google Translate
Esoteric could have routinely played down their boots after eight long years of downtime and any genre fan would have gratefully eaten out of their hands. Instead, A Pyrrhic Existence has become her most versatile work so far, in which Funeral Doom is no longer the sole measure of all things, but provides the flawless basis for growing beyond your own legacy.
The opening Descent , with its 27 minutes of playing time, has become a larger-than-life behemoth in a sea of monoliths; A warning and touchstone, but also a promise for A Pyrrhic Existence as a complete work: Effort and remuneration always come here in voluminous amounts, get you on board immediately, provided you have the necessary time and patience.
What starts out as menacing and sinister as a chastising funeral doom exactly as massive and ponderous as expected, only really thickens visibly when the powerful vocals of Greg Chandler start to thickeninsert, bring practically everything to a standstill. Tormented, misanthropic nihilism lends itself to an atmospheric ambient part after just under ten minutes, from which an increased interest in uplifting textures builds up. The tension flickers more intensely and conjures up a climax that suddenly tilts into a more conciliatory score part, breathes deeply into a trance, muses with loose guitar banter and shows an almost hopeful mid-tempo digestibility. Descent then unscrews himself almost subversively to an anthem, as if in slow motion Guns n 'Roses were chasing melodies on the track that dig from their graves but want to reach the sky. The last few meters from Descentare nevertheless a pitch-dark installation full of suspense and claustrophobia, which interweaves set pieces from Lychgate that blur into theatrical organ weight into an idiosyncratic head-cinema soundtrack.
This exhaustive microcosm of an esoteric universe already allows conclusions to be drawn about A Pyrrhic Existence as a whole. In addition to Chandler, who acts as an epicenter as seldom as it is, guitarist Gordon Bicknell has once again become an integral part of the band after his mysterious exit or retirement and manageable participation in the previous album Paragon of Dissonance (2011). He also challenges the unit to a creative relay race that enables progressive growth that not only distills almost all previous phases of the band's history, but also broadens the perspectives and moves new boundaries.
A Pyrrhic Existence can actually do more than almost all previous EsotericArtist Albums. The instruments around dizzyingly subtle-epic guitar parts have never worked so versatile as here; the vocals sound inhuman than rare; the drums act perfectly at all times, but secretly triumphantly swirling and bestially decelerating from the undergrowth; In addition, the production alone sets new in-house standards through the high quality of the synthies, when A Pyrrhic Existence bathes again and again in post-apocalyptic keyboard seas that sound like memories of Blade Runner , while the discharges of the compositions also occur in astonishingly direct and stirring climaxes outside of the world Move comfort zone and traditional territory.
The fact that a few passages taken by themselves and viewed in isolation may only be an above-average genre standard does not matter, because they work so fantastically in context. Where you could have shortened the record a little, objectively, you actually never want this subjectively - the vinyl version can serve as a bit of a memorial. Because although A Pyrrhic Existence constantly evokes outstanding - but not completely iconic - individual scenes, the 98 minutes of the eighth Esoteric album are to be experienced as a holistic experience.
After all, there is so much to discover on the meditatively spreading, body and soul eating plate, to admire so many dynamic twists and to follow the evolutionary process of songwriting that has been internalized as well as changed.
After Descent feels like he is swallowing more than just a song through his elaborate arcs, Rotting begins in Derelictionin the bitterly evil Slo-Mo maelstrom with a latent penchant for dissonance, coagulates viscously and picks up speed, finds its way through a wonderfully smoldering desolation into an incredibly crisp, tackling metal descent - which suddenly even tacks like mad senses in the dull shades of Death and Black And solid: The band has never heard such a tarantula, even if the manic outburst pulls back, the wah-wah pedal howls and broods in tectonic bursts, again primarily the perfection of the traditional signature sound enriched with grandeur and grandeur.
How grandiose Chandler and Bicknell's work on the strings has progressed this time becomes clear when rotting in derelictionBleeding triumphantly bleeding in painful beauty, sending the guitars into the ether with timelessly sublime attributes with all the patience of the world and finding the seamless transition to the instrumental Antim Yatra in the gloomy synth nebula, dragging themselves through associative ambient sound structures where the light is on End of the dystopian tunnel occurs in the form of a sparkling piano line.
After that, A Pyrrhic Existence measured its radius as far as possible, but goes even further into detail in the contrasts and shades, spreads out its facets, tempos and degrees of hardness with an sometimes exhaustive consequence and bathes in its sometimes dreamy melodies.
Consuming Lies lets his guitars sound atmospheric through the room, built in the domains of Isisand Post Metal a Goth cathedral. The doomy riffs that emerge in this environment are almost compact 2000s staccato metal attacks in apocalypse mode with poison-screaming screams, the drums underscore an energetic concentration that soon afterwards breathes with a dark jazz-loving part, his menacing keyboard tracks slowly creep back into the mud and the speed-free death outweighs its isolation with all the severity of the world. How homogeneous and natural the mutation of the numbers progresses is basically perfect.
culminationbathes in a melodic abyss, pulls the reins closer and shreds stoically in front of landscapes free from vertigo, even dips into downright psychedelic colors until the band pulls all the strings together and briefly ticks out like a doom version of Meshuggah and Mudvayne via a stacker bulldozer . The momentum of the escalations channeled here particularly rapidly, detonating, and not only allowing the tensions to flow flatly. In this direction, the Sick and Tired , which radiates to Mournful Congregation, is an almost Pink Floyd'Eske longing with heavy rock bonds and hissing guitars, wallowing in his dark misery, stacking the gestures worthy of a final and sobbing, rotating there like mad in a circle and then grinding again elegently: Overwhelming!
Perhaps the greatest achievement of a great genre work, no - Opus !, is that A Pyrrhic Existence is a demanding effort, but not an exhausting ordeal. Every second you follow the record pays back the willingness to make sacrifices with a rare dedication. All elements seem to be perfectly tempered in the meticulous architecture of the six mammoth numbers, and yet Esoteric always throw their emotional passion into the balance before every calculation, and after almost three decades in business arouse a euphoria that was hardly thought possible, which here is one and a half hours like in a frenzy let pass and - if this is even a permissible term in these climes - even be fun. A Pyrrhic Existencesounds so clear and experienced how it has an ambitious and hungry effect. Surrendering to this esoteric cosmos seems to be less effort than even the band's best albums so far.
It is therefore possible to discuss whether Esoteric has outdone itself this time - but to be able to agree that this quasi-comeback does the balancing act to summarize the British discography so far and to position the potential future of the institution in an exciting way to have than that after absolutely defining overworks like Metamorphogenesis and The Maniacal Valeseemed even possible at all. The fact that the time until then will not count as badly as the past eight years is because Esoteric wrote a masterpiece for the annals of the Doom. Never less, maybe more.
9/10